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Gutschein Strategien und Taktiken: Breakage (Teil 1)

Gutschein Strategien und Taktiken: Breakage (Teil 1)

Wir saßen im Taxi. Er zeigte mir seine Gutschein-App: ca. +50.000 Euro Gutscheinverkauf für sein Restaurant im Jahr.

Wow.

Das war vor einigen Wochen ein guter Reminder: Ich muss das Gutscheinthema im Le Lion endlich zu Ende bringen. Insbesondere für die kommende Winterzeit. Denn das ist Gutscheinzeit.

Gutscheinverkauf ist aber komplex. Ich habe mich in den letzten Wochen viel mit Kolleginnen und Kollegen zum Gutscheinverkauf ausgetauscht. Und schlimmer noch: Ich stalke sie. Checke ihre Webseiten. Checke AGBs und Prozesse. Um zu sehen, was ich gut finde, wo Fehler entstehen können.

Gutscheinverkauf kann ein mächtiges Umsatzpotenzial bergen. Und eine Menge Fehler, die teilweise erst nach Jahren in Steuerprüfungen oder bei Strafgeldern auffallen. Daher braucht man gute Prozesse. Aber, das wurde mir schnell klar, viel wichtiger: Man braucht eine Gutscheinstrategie. Was will ich damit eigentlich erreichen? Denn Gutscheine bergen enormes Umsatzpotential. Vielleicht gerade dann, wenn man sie nicht nur als Gutscheine sieht. Aber first things first:

Steuerliche Aspekte: Umsatz und Umsatzsteuer

Einzweckgutschein: Bei Einzweckgutscheinen, bei denen Leistungsort und Umsatzsteuersatz bekannt sind, entsteht der unternehmerische Umsatz beim Verkauf der Gutscheine. Die Einlösung im Lokal später ist kein Umsatz mehr. Die Umsatzsteuer wird beim Verkauf des Gutscheins abgeführt.

Mehrzweckgutschein: Bei Mehrzweckgutscheinen, bei denen Leistungsort oder Umsatzsteuersatz nicht bekannt sind, entsteht der unternehmerische Umsatz nicht beim Verkauf der Gutscheine. Umsatzsteuerlich wird der Verkauf eines Mehrzweckgutscheins nicht als Leistung, sondern als Zahlungsmittel behandelt. Das bedeutet: Beim „Verkauf“ dieses Zahlungsmittels entstehen weder Umsatz noch ist die Umsatzsteuer fällig. Beim Einlösen entsteht der Umsatz, und die Umsatzsteuer wird fällig. Man erfasst die Einnahmen aber in der Buchhaltung auf der Passivseite der Bilanz unter „Verbindlichkeiten aus Gutscheinen“. Denn die Gastronomie „schuldet“ dem Gast ja noch die Einlösung des Zahlungsmittels.

Bei schlechten Prozessen droht, dass beim Verkauf bzw. Einlösen in Summe doppelt Umsatzsteuer oder Umsatz gebucht wird. Bei schlechter Kommunikation gibt es oft genervte Gäste, beim Einlösen oder Verkauf, weil Rechnungen zu einem Zeitpunkt z.B. ohne Mehrwertsteuer ausgestellt werden müssen, da diese nur einmal abgeführt werden sollte.

Mehrzweck Gutschein Strategie

In vielen Fällen verkauft man als Gastronomie einen Mehrzweckgutschein. Denn selbst wenn der Ort, da es nur ein Lokal gibt, bekannt ist, ist die Mehrwertsteuer in Summe noch nicht bekannt. Da nahezu jedes Haus auch Außer-Haus-Verzehr ermöglicht. Hier wäre nur 7 % Umsatzsteuer möglich. Oder bei einigen Kaffeespezialitäten mit hohem Milchanteil (Deutscher Wahnsinn). Bald, wenn die Regierung den einseitigen Subventionsfehler macht und wieder 7 % auf Speisen im Haus zulässt, sowieso.

Aber als Unternehmen hat man auch betriebswirtschaftlich ein Interesse, Mehrzweckgutscheine zu generieren. Denn Umsatzsteuer und Umsatz werden erst beim Einlösen fällig und sind damit, bis zum Einlösen, ein kleines Mikro-Darlehen, was die Liquidität erhöht. Insbesondere da ja auch die damit verbundene Leistung und der damit verbundene Wareneinsatz etc. erst bei der Leistung fällig sind.

Breakage: Nicht eingelöste Gutscheine

Und es gibt verschiedene Statistiken, die zeigen, dass teils hohe Prozentsätze an Gutscheinen nie eingelöst werden. Der Branchentalk: 20 % bis 30 % wird nie eingelöst.

Im oben genannten Beispiel, ohne dass ich Breakage als Taktik unterstellen möchte, wären das bei 50.000 Euro im Jahr und 30 % Nichteinlösung jedes Jahr knapp 15.000 Euro Liquidität.

Als Unternehmer:in kann man Breakage also durchaus als Gutschein-Taktik denken. Let’s do it:

Die Psychologie hinter der Breakage-Rate

Die Idee ist, einen "Sweet Spot" im Wert zu finden, der genau zwischen zwei Extremen liegt:

  • Zu hoher Wert: Ein sehr hoher Gutscheinwert (z.B. 150 €) wird in der Regel nicht vergessen. Der Kunde sieht ihn als "echtes Geld" an, plant bewusst eine Nutzung und freut sich auf das Erlebnis. Die Breakage-Rate ist hier sehr gering.
  • Zu niedriger Wert: Ein extrem niedriger Gutscheinwert (z.B. 5 €) kann ebenfalls eine geringere Breakage-Rate haben, weil der Kunde ihn als beiläufiges Zahlungsmittel betrachtet und ihn schnell bei der nächsten Gelegenheit einlöst.

Die höchsten Breakage-Raten werden oft bei Werten erzielt, die weder zu hoch noch zu niedrig sind – also genau in dem Bereich, in dem der Gutschein als "nettes Geschenk" wahrgenommen wird, aber nicht als "große Summe", für die man extra einen Termin machen oder eine große Feier planen muss.

Strategie für die Festlegung der Gutschein-Werte (Gastronomie)

Du kannst die Höhe deiner Mehrzweckgutscheine gezielt anpassen, um dieses Verhalten zu beeinflussen:

  • Vermeide "optimale" Werte: Lege Gutscheinwerte fest, die nicht perfekt zu einem typischen Verzehr passen. Wenn ein durchschnittliches Abendessen für zwei Personen 80 € kostet, ist ein 80-€-Gutschein ein starker Anreiz. Ein 65-€- oder 75-€-Gutschein ist weniger "optimal" und kann leichter beiseitegelegt oder vergessen werden, da der Kunde sich bewusst ist, dass er noch etwas zuzahlen muss.
  • Fokus auf den "vergesslichen" Bereich: Ein Gutschein für 25 € oder 30 € für eine Bar kann sich in diesem "Sweet Spot" befinden. Er ist genug wert, um ein Geschenk zu sein, aber oft nicht so viel, dass er eine sofortige, bewusste Planung auslöst. Solche Gutscheine werden gerne in Schubladen oder Brieftaschen vergessen.
  • Setze auf Mehrzweckgutscheine: Die Strategie funktioniert am besten mit Mehrzweckgutscheinen. Bei einem Einzweckgutschein (z.B. "Ein Cocktail-Tasting für zwei") ist die Leistung klar definiert, was die Wahrscheinlichkeit der Einlösung deutlich erhöht.

Ein zweiter wichtiger Punkt: AGBs und die Laufzeit

Ein zweiter wichtiger Punkt, den man allgemein bei Gutscheinen beachten muss und den man nutzen kann, um seine Breakage-Rate zu verbessern, sind die Geschäftsbedingungen für Gutscheine, insbesondere der Trick, die Laufzeit zu „verkürzen“.

  1. Gültigkeitsdauer und Verjährung (Der wichtigste Punkt)
    • Die gesetzliche Grundlage hierfür ist die allgemeine Verjährungsfrist nach § 195 BGB.
    • Die gesetzliche Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
    • Diese Frist beginnt immer erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Gutschein ausgestellt wurde. Ein Gutschein, der also am 15. Juli 2025 ausgestellt wird, ist bis zum 31. Dezember 2028 gültig.
    • Kürzere Befristung: Du darfst eine kürzere Frist in deinen AGBs festlegen, aber diese muss angemessen sein und darf den Kunden nicht unangemessen benachteiligen (§ 307 BGB).
    • Die Rechtsprechung ist hier nicht immer einheitlich, aber eine pauschale Befristung von einem Jahr für Geldwertgutscheine in der Gastronomie wird von Gerichten (u.a. OLG München) oft als unwirksam angesehen.
    • Eine zweijährige Befristung wird in vielen Fällen als angemessen betrachtet. Hier gibt es weniger rechtliche Unsicherheiten.
    • Folge einer unwirksamen Befristung: Ist deine Frist in den AGBs zu kurz und damit unwirksam, gilt automatisch die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren. Der Gutschein wird also nicht wertlos, sondern verlängert sich.
    • Optimierung für Breakage: Der beste Weg, Breakage zu optimieren, ist eine klare, angemessene Befristung in den AGBs (z.B. zwei Jahre) und das Ausstellungsdatum deutlich auf dem Gutschein zu vermerken.
    • Nach Ablauf der Verjährungsfrist von drei Jahren besteht kein Anspruch mehr auf den Gutschein oder eine Gelderstattung.
    • Die gesetzliche Verjährungsfrist kann nicht durch AGBs verlängert werden, wenn es sich um einen Geldbetrag handelt.
  2. Umgang mit dem Gutscheinwert nach Ablauf der Befristung
    • Sollte der Kunde einen Gutschein erst nach Ablauf deiner wirksamen AGB-Frist (z.B. nach zwei Jahren, aber innerhalb der gesetzlichen Dreijahresfrist) einlösen wollen, hat er rechtlich gesehen keinen Anspruch mehr auf die volle Leistung. Er hat aber noch einen Anspruch auf Auszahlung des Gutscheinwertes, abzüglich des dir entgangenen Gewinns. Da die Bemessung dieses entgangenen Gewinns schwierig ist, wird in der Praxis oft der volle Gutscheinwert aus Kulanz eingelöst, um den Kunden nicht zu verärgern.
    • Wichtig: Diese Regelung gilt nur bis zum Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist. Ist diese Frist verstrichen, verfällt der Anspruch komplett.
  3. Weitere wichtige Klauseln in den AGBs
    • Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein und Missverständnisse zu vermeiden, sollten deine AGBs oder die auf dem Gutschein aufgedruckten Bedingungen auch folgende Punkte klar regeln:
    • Einlösbarkeit in Teilbeträgen: Erkläre, ob der Gutschein auch in Teilbeträgen eingelöst werden kann und was mit dem Restguthaben geschieht. Üblich ist, dass der Restbetrag auf dem Gutschein vermerkt oder ein neuer Gutschein ausgestellt wird.
    • Barauszahlung: Gib klar an, dass eine Barauszahlung des Gutscheinwertes nicht möglich ist (es sei denn, du bietest dies aus Kulanz an). Das ist in der Regel rechtlich zulässig.
    • Übertragbarkeit: Es sollte klar sein, dass der Gutschein übertragbar ist, da es sich um ein "Inhaberpapier" handelt.
    • Verlust: Regelungen zum Verlust oder Diebstahl des Gutscheins (z.B. "Bei Verlust kein Ersatz").
    • Um Breakage rechtlich zu optimieren, musst du deine AGBs so gestalten, dass sie eine klare, aber angemessene Befristung vorsehen. Eine Frist von zwei Jahren ist hier oft ein guter Kompromiss, der von der Rechtsprechung meist als gültig angesehen wird und den Kunden nicht verärgert. Du kannst dann nach Ablauf dieser Frist argumentieren, dass die gesetzliche Verjährungsfrist (3 Jahre) nur noch einen Anspruch auf den Geldwert (ggf. abzüglich des entgangenen Gewinns) vorsieht, was das Einlöseverhalten der Kunden positiv beeinflussen kann.

Mein Fazit:

Schön, dass wir drüber gesprochen haben :)

Dass viele Gutscheine nicht eingelöst werden, ist ein given fact. Und nicht unbedingt die niedere Intention eines Gastronomen. Sich über die Art und Weise des Gutscheins und seine Höhe Gedanken zu machen, sprich über die Psychologie des Verkaufens, kann ein wahrer Boost sein und wird wichtiger Bestandteil meiner Gutscheinstrategie. Nicht einfach nur eine „Währung“. Rechtliche Spielereien wie z.B. die Gültigkeitsverkürzung sind meiner Meinung nach eher dumm. Zeigen sie doch die Gier und die niederen Absichten schwarz auf weiß. Ein Unternehmen lebt von zufriedenen Kunden. Das ist die Prämisse.

Wer Gutscheinverkauf nur mit der Gier und der Optimierung auf Breakage angeht, verspielt aber eine Menge Potenzial. Je mehr ich an meiner Gutscheinstrategie schreibe, wird klar: Gutscheine sind ein echtes Produkt, das gilt es zu denken und hübsch zu machen, wie einen guten Drink. Sie sind wirtschaftlich interessant. Aber viel wichtiger: Sie sind ein Marketing-Tool. Sie bringen Gäste in die Bar. Man sollte um Breakage bei Gutscheinen wissen. Nice to have. Darauf zu „optimieren“ scheint mir aber eher ein betriebswirtschaftlicher Schaden. Für die Reputation. Aber auch weil man sehr viel Potenzial verschenkt. Zu verstehen, bei welchen Beträgen ein Gast eher nicht in die Bar kommt und der Gutschein verfällt, ist wichtig. Um genau das Gegenteil zu denken. Denn Gutscheine oder Geschenkkarten sollen Gäste in die Bar bringen.

Mehr dann in Kürze in Teil zwei meiner Gutscheinstrategie und -taktik im www.7cl-business.de Newsletter.

Ach ja, ein wichtiger Hinweis: Die Informationen hier im Text dienen der Orientierung. Bei der Erstellung oder Anpassung von Steuerprozessen oder von AGBs ist es unerlässlich, einen Rechtsanwalt und/oder Steuerberater zu konsultieren, um sicherzustellen, dass die Klauseln im Einzelfall wirksam und abmahnsicher sind und die Prozesse steuerlich korrekt.