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Reisen ist anstrengend.

Samstagnachmittag war ich auf dem Weg in die Bar. Vorab einen Filterkaffee bei Elbgold holen. Vor dem Elbgold, es war ca. 15:30 Uhr, griff eine Frau zum Telefon. „Okay, I will cancel the Reservation“, sagte sie und wählte eine Nummer. Nach wenigen Sätzen hörte ich sie nur noch genervt Entschuldigung und Ähnliches stammeln.

„Yes, I am sorry. We cannot make it anymore at 7.00 pm. Yes, I know. It is short notice. No, table for four is now free. No, we will not make it later. Yes, we will not come around anymore. Yes I know. Yes. Sorry, Sorry…“

Nach etlichen Entschuldigungen legte sie auf. „I canceled the table“, sagte sie zu einer anderen Frau. Diese saß auf einer Bank vor dem Coffeeshop. Um sie herum standen einige Shopping-Tüten. Sie wirkte verheult. Gestresst. „Thank you.“ Die Telefonierende setzte sich zu ihrer Freundin. Beide tranken ihren Kaffee.

„Was wohl vorgefallen ist?“, dachte ich mir. Am Gespräch war zu erkennen, dass die Person am anderen Ende des Telefons, vermutlich ein Restaurant, der Dame ob der Stornierung eine harte Zeit gegeben hat. Man konnte erkennen, dass es der Frau sichtlich unangenehm war, 3,5 Stunden vorher einen Tisch zu stornieren. Aber irgendwie auch nicht änderbar. Gefühlt hatte ich den Eindruck, dass es im Gespräch eine Menge darum ging, dass das so nicht gehe! Am Samstag! So 3,5 Stunden vor der Reservierung. Der Blick der Frau beim Auflegen ließ das zumindest vermuten.

Ich ging weiter, ins Elbgold, stellte mich in die Samstagsschlange und holte meinen Filter to go ab. Und dachte über die Situation nach.

Ohne Tourismus wäre Hamburgs gehobene Gastronomie in drei Sekunden pleite. Ich weiß, man hört das oft nicht gern, sonnt sich gern in der Vorstellung, das Lokal wäre ein Platz der Locals, unabhängig von diesen „schlimmen“ Touristen, quasi die letzte Bastion im Kampf gegen die allgegenwärtige Gentrifizierung. Aber das ist eine naive Vorstellung. Malerisch. Und falsch.

Hamburgs gehobene Gastronomie lebt vom Tourismus. Denn die Wochenend- und Städtereisenden sind neugierig, wollen etwas erleben und haben das Geld für Essen und Trinken lockerer sitzen. Ohne sie wäre Hamburgs gastronomische Vielfalt bedauerlich klein. Ich persönlich finde es toll, jeden Abend Gäste aus aller Welt zu bewirten. Das macht es deutlich interessanter. 

Gastronomie ist ein hartes Geschäft. Aber, so wurde ich samstags vor dem Coffeeshop wieder erinnert: Tourismus ist auch hart. Also Tourist sein. Die Tage sind lang, hart und voller Überraschungen. Die Ereignisse sind komprimiert, nicht jede Planung geht auf. Wer kennt es nicht von seinen Wochenendtrips, wo er oder sie Tourist war, auf der Suche nach den coolen Läden. Und zack, kommt es anders, als man geplant hat.

Gastronomie ist ein hartes Business. Den Laden am besten 2,5-mal am Wochenende voll machen. Zeit-Slots "for the win". Die Liste der Hausregeln ist lang, das Business optimiert. Was fehlt, ist die Luft fürs Menschliche. Es kann etwas dazwischenkommen. Es kommt anders, als man denkt.

Den Fehler, den viele Gast-Mitarbeitende bei Touristen machen, ist, glaube ich, dass sie annehmen, dass es davon unbegrenzt neue gebe. Dass sie austauschbare "Moneymaker" sind. Menschen, die nur einmal in die Stadt kommen. Die man nur einmal sieht.

Zumindest ist das das Wording, wenn man mit vielen Mitarbeitenden aus der Gastronomie zuhört. Weltoffen geht anders. 

Das ist ein Fehler. Mittlerweile kenne ich viele unserer auswärtigen Gäste, die ich ein-, zweimal im Jahr wiedersehe. Weil sie einen tollen Abend hatten. Weil wir ihnen eine gute Zeit bereitet haben. Und wichtiger noch: Sie schicken ihre Freunde, sprechen Empfehlungen aus.

Man muss sich manchmal ein wenig in sie hineindenken. Der Tag war stressig. Einmal ankommen lassen. Empathie ist immer gut. Für jeden Gast. 

Vielleicht ist bei einer Stornierung eine charmante Frage  „Oh, schade zu hören, was ist passiert, vielleicht ein anderes Mal?“ sinnvoller als ein „Wie sollen wir denn so kurzfristig noch jemanden für den Tisch bekommen?“ in den Hörer zu pöbeln.

Der Laden, der dir ein Barcelona oder Kopenhagen eine besondere Zeit serviert und dir nicht das Gefühl gegeben hat, ein austauschbarer Tourist zu sein, hat dein Herz für immer gewonnen. 

Vergiss das nicht, wenn du dir in Hamburg Abends die Schürze umbindest.