Trinkgeld Business in der Gastronomie: Ist Trinkgeld steuerfrei? Gefahren und neue Pflichten für Betriebe.

Trinkgeld Business in der Gastronomie. Ist Trinkgeld steuerfrei? Nur wenn Du die aktuellen Änderungen und Pflichten beachtest

Trinkgeld Business in der Gastronomie: Ist Trinkgeld steuerfrei? Gefahren und neue Pflichten für Betriebe.
Trinkgeld Business 2024 bedeutet: document or die

Trinkgeld. Es kann gute Gastronomie legal zu einem gut bezahlten Beruf machen. Die Grundgehälter sind in den meisten Gastronomien glücklicherweise merkbar angestiegen. In der Bar und vielen reinen Nachtbetrieben sorgen bis zu 40% steuerfreie Nachtzuschläge zusätzlich für deutlich höheres “Netto”. 

3000 bis 4000 Euro „Netto” - dank Trinkgeld.

In Großstädten und hoch frequentierten Betrieben machen 500,- bis 2000,- Euro an steuerfreien Trinkgeldern in starken Monaten „on Top” ein Nettoeinkommen von +3000,- bis +4000,- Euro im Monat möglich. Zumindest im Bar-Betrieb, mit Nachtzuschlägen keine Seltenheit. 

Extreme Trinkgeldhöhen aus absoluten Spitzenbetrieben, High-Volumen Nachtclubs oder krassen touristischen Frequenz Locations sind hier nicht eingerechnet. Durchschnittlich über +1000 Euro Trinkgeld im Monat sind meiner Einschätzung nach solider Hamburger Durchschnitt in der Form von Gastronomie, wie wir sie betreiben. 

Sicherlich: Trinkgeld hat viele Aspekte. Im Krankheitsfall und Urlaub fehlt es. Es unterliegt oft starken monatlichen Schwankungen bzw. es gibt konzeptionell nur wenig Betriebe, wo Trinkgeld übers Jahr keinen Schwankungen unterworfen ist. Es ist keine garantierte Konstante. 

Die dunkle Seite von Trinkgeld: Es kann Gier und Neid erzeugen. Mitarbeiter versuchen ihr Trinkgeld auf Kosten der Gäste, Kollegen oder des Betriebes zu optimieren. Und vergessen dabei: Trinkgeld ist das Resultat eines guten Services und Teams, eines besonderen Einsatzes und Freundlichkeit. 

Wem genau gehört aber Trinkgeld? Dies musste schon öfter entschieden werden. Im Zweifelsfall gingen die Urteile zugunsten des Servicepersonals aus. Köche mögen diese Urteile nicht. Insbesondere kam es zu gerichtlichen Streitigkeiten, wenn der Umgang mit Trinkgeld nicht durch eine betriebliche Zusatz-Vereinbarung für alle verständlich erklärt war.

Trinkgeld kann dein Team zerschießen. Große (Bargeld) Beträge, die jeden Abend auf dem Tisch liegen, können Neid fördern. Das weiß jede erfahrene Gastronomin, jeder erfahrene Gastronom. Und daher ist es erste Betreiberpflicht ein faires, logisches und nachvollziehbares Trinkgeld System für dein Team zu erstellen. Guter Service ist in der Regel eine Teamleistung - also sollten alle Beteiligten der Schicht von dieser höflichen  Aufmerksamkeit des Gastes profitieren.

Andererseits, das wissen erfahrene Betreiber ebenfalls: Trinkgeld kann ein enormer Ansporn sein. Ich war früher ein ausgezeichneter Kellner und habe oft deutlich mehr als 10% Trinkgeld am Abend gemacht, an starken Abenden zweihundert Euro und mehr mit nach Hause genommen. The Sky is the limit. Andere im gleichen Team oft nur die Hälfte. Aber wir hatten feste Tische und waren in der Eigenverantwortung für unseren Bereich. 10% haben wir an die Küche und die Bar abgegeben, der Rest war Extralohn für Extraleistung. 

Noch bevor du deinen Betrieb eröffnest, musst du dir also Gedanken machen, wie das Trinkgeld aufgeteilt wird. Wer bekommt was vom Trinkgeld wie ausgezahlt. Immer unter Beachtung der folgenden Auflagen, die Trinkgeld steuerfrei machen. Dies ist meiner Meinung erste Pflicht der Geschäftsleitung. Ich halte hier wenig von Kollektivismus. Du musst entscheiden, wie der Service und das Trinkgeld grundsätzlich laufen sollen. Ob jemand eigenverantwortlich für sein Revier zuständig ist. Dort gibt es dann meist große Motivation für mehr Umsatz und mehr Trinkgeld. Gutes Trinkgeld in Summe bedeutet natürlich nicht nur zwangsläufig mehr Umsatz, sondern auch, dass die verantwortliche Person sein Bestes gibt, um die Gäste zu begeistern. Trinkgeld ist das Unternehmertum der Revier-Servicekraft. Die “Belohnung” folgt hier auf dem Fuße.

Aber auch Gemeinschaftskassen für Teams sind ein gutes System. Gerade bei kleinen, persönlichen Betrieben sind sie eine ausgezeichnete Lösung. So haben wir es z.B. in meiner Bar Le Lion vereinbart.

Wichtig ist, dass du dir im Vorfeld ein funktionierendes System überlegst. Was am besten zu deinem Konzept passt. Und dieses System dann sauber mit dem Team kommunizierst und es kontrollierst.  

Aber genau hier gibt es eine Herausforderung. Für dich als Inhaber. Der Gesetzgeber, insbesondere die Sozialversicherungskassen, verlangen von dir im Zweifelsfall gute und nachvollziehbare Dokumentationen. Und Abgrenzungen. Damit gewährleistet wird, dass mit eurer Methode das Trinkgeld auch steuerfrei bleibt. Wird im Rahmen einer Prüfung die Steuerfreiheit aberkannt, kommt es zu Nachzahlungen und Strafen.

Diese Nachzahlungen trägt in der Regel nur der Betrieb, nicht die Angestellten. Das bedeutet: Für deine Mitarbeitenden kommen übers Jahr in Summe fünf, sechsstellige Trinkgeldbeträge zusammen. Machst du als Unternehmen Fehler bei der Art und Weise wie das Trinkgeld verteilt wird, versteuert dein Betrieb dann die Trinkgelder fünf, sechsstellig nach. Deine Mitarbeiter haben in der Regel keine Nachzahlungen zu erwarten und können die ausgezahlten Beträge wie „Netto Lohn” behalten. 

Na Hupsy! Existenzbedrohung durch Trinkgeld in drei, zwei, eins … 

Vorab eine notwendige Klarstellung: Ich bin weder Rechtsanwalt noch Steuerberater. Lediglich Unternehmer. Wer Rechtssicherheit oder aktuelle steuerliche und fachliche Beratung wünscht, möge eben einen Rechtsanwalt oder eine Steuerberaterin kontaktieren. Ich übernehme keine Haftung für den Inhalt dieser Informationen. 

Und Warnung: Es folgt ein sehr langer Text. Kannst du das noch?  

Wann ist Trinkgeld steuerfrei? Die gesetzliche Definition von steuerfreiem Trinkgeld:

Starten wir mit dir als Unternehmer und Unternehmerin. Ist „dein“ Trinkgeld steuerfrei? 

Nein!

Als Steuerpflichtiger mit Einkünften aus Gewerbebetrieb oder Selbstständigkeit bzw. Freiberuflichkeit gilt dein Trinkgeld, wie eine zusätzliche Zahlung zu den vereinbarten und erbrachten Leistungen und damit als Betriebseinnahme. Diese zusätzlichen Zahlungen sind dem Umsatzsteuerrecht unterworfen. Das bedeutet: als Unternehmer musst du auf dein Trinkgeld, wenn du Umsatzsteuerpflichtig bist, Umsatzsteuer zahlen und der verbleibende netto” Betrag unterliegt dann, bei Einzelunternehmung als Betriebseinnahme u.a. deinem Einkommenssteuersatz und der Gewerbesteuer.

Interessant ist hier meines Wissens: Wenn das Trinkgeld auf Rechnungen mit gemischten Umsatzsteuersätzen gegeben wird ( z. B.: 80 % der Rechnung unterliegen der vollen Mehrwertsteuer, 20% haben einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz) muss die Umsatzsteuer auf das Trinkgeld in gleichen Teilen abgeführt werden. Wie das in der Praxis gestaltet wird, insbesondere wenn man dutzende von gemischten Rechnungen am Abend kassiert, ist mir nicht ganz klar. Wie machst du das als Einzelunternehmer/in mit der MwSt. und den verschiedenen Sätzen bei deinem persönlichen Trinkgeld? Versteuerst du pauschal den höheren Mehrwertsteuersatz oder splittest du jede Rechnung auf? 

Mir fehlt die Erfahrung, ich beteilige mich seit 16 Jahren als Inhaber nicht mehr beim Trinkgeld. Ich habe einmal von einem alten Bar Owner gelernt: “Der Bartender „lebt” vom Trinkgeld, der Barkeeper lebt vom Gewinn” und beherzige das seither. 

Dabei wäre mein Trinkgeld als GmbH Geschäftsführer in unserer Konstellation, anders als bei Selbstständigen in der Einzelunternehmung, legal steuerfrei, denn: 

Trinkgeld bei Kapitalgesellschaften (UG haftungsbeschränkt, GmbH etc.)

Als Gesellschafter Geschäftsführer (dir gehören Anteile an der Gesellschaft und du bist der angestellte Geschäftsführer), oder als Angestellter deiner eigenen Kapitalgesellschaft, wirst du in den meisten Fällen beim Trinkgeld wie ein Angestellter behandelt. Dein Trinkgeld unterliegt dann den Regelungen für Angestellte und kann, wenn alle Punkte erfüllt sind, steuerfrei sein.

Interessant ist hier die Frage, wie auch bei Krankenkassenregelungen, ob du als Gesellschafter Geschäftsführer wie ein Selbstständiger gewertet werden kannst. Sprich: Du hast durch Gesellschaftsvertrags-Gestaltung eine dominierende Stellung bzw. dir gehören +50% der Anteile. Ich konnte hierzu leider kein Urteil finden. Ich empfehle dir aber, wenn du mehr als 50% Anteile einer Kapitalgesellschaft hast, mit deiner Steuerberatung zu klären, ob du in Bezug auf Trinkgeld als selbstständig und Trinkgeld steuerpflichtig giltst oder als Angestellter.

Wenn du hier Urteile kennst, freue ich mich auf Nachricht und nehme diese gerne im zweiten Teil des Trinkgeld Business Newsletter mit auf, bzw. aktualisierte den Text hier.

Aber merke: Trinkgeld für Unternehmerinnen und Unternehmer ist steuerpflichtig.

Übrigens: Mitarbeitende direkter Familienangehöriger in Einzelunternehmungen werden in den meisten Fällen beim Trinkgeld wie Selbstständige gewertet und das Trinkgeld ist wie oben beschrieben zu versteuern. Der Trick, dass alles Trinkgeld im Lokal der Angestellte 520 Euro Ehepartner bekommen hat, scheint die Finanzverwaltung wenig überzeugt zu haben. 

Wenn du aber neben Familienangehörigen noch weitere Angestellte hast, die Trinkgeld kassieren, hast du neuerdings umfangreiche Dokumentationspflichten, wie das Trinkgeld empfangen und verteilt wurde. 

Du musst natürlich nachweislich abgrenzen, welches Trinkgeld dir als Unternehmer zugeflossen ist (Umsatzsteuer und Einkommensteuerpflichtig) und welche Beträge deine Angestellten steuerfrei bekommen haben. Kannst du hier keine genauen Beträge abgrenzen, werden die Prüfenden immer bemüht seinen, deinen beitragspflichtigen Wert möglichst hoch zu rechen.

Ferner ist das Trinkgeld deiner Angestellten nur unter bestimmten Regeln steuerfrei. Damit diese nachweislich eingehalten wurden und dein Betrieb nicht nachversteuert, ist eine saubere Dokumentation mittlerweile notwendig.

Übrigens: Neuerdings kann eine fehlende Dokumentation der Trinkgeldzahlungen und der Trinkgeld Organisation wegen Verstößen gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchhaltung bei den Schlagwörtern Verfahrensdokumentation, Kassensturzpflicht, Safebuch bei einer Finanzamtsprüfung auch noch zusätzlich zum Verwerfen der Buchhaltung führen. Zumindest gilt das für alle Betriebe, die Bargeld annehmen und zu den Bargeldintensiven Betrieben gerechnet werden.

Sehr teuer. Und diesbezüglich eigentlich unnötig. Aber lass uns erst einmal klären, unter welchen Bedingungen Trinkgeld für Angestellte steuerfrei ist.

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Trinkgeld, steuerfrei für Angestellte. Wenn Du alle Punkte beachtest

Grundsätzlich ist Trinkgeld für Angestellte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG eine Einkunft aus nicht selbständiger Arbeit. Einkünfte sind steuerpflichtig, wenn sie nicht nach  §3 des Einkommensteuergesetzes als steuerfrei gelten.

Zum Verständnis: Trinkgeld ist somit erst einmal gedanklich für Angestellte steuerpflichtig, es sei denn, man erfüllt alle in §3 genannten Punkte, die es steuerfrei machen. 

Unterpunkt NR. 51 in §3 erklärt, dass Trinkgeld bei folgender Definition als steuerfreies Trinkgeld anzusehen wird:

Nr. 51: Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist;

Dieser kleine Satz enthält bereits einige Spitzfindigkeiten zur Steuerfreiheit. 

„Anlässlich einer Arbeitsleistung… und zusätzlich”

Per Definition muss Trinkgeld im Rahmen einer Arbeitsleistung ZUSÄTZLICH gezahlt werden. Trinkgeldzahlungen für eine Dienstleistung oder einen Gefallen, bei dem keine Arbeitsleistung abgerechnet wird, sind also nicht steuerfrei. 

dem Arbeitnehmer…

Wie oben beschrieben: Steuerfreiheit nicht bei Selbstständigen 

freiwillig…

Falls ein Betrieb Trinkgeld auf Speisekarten etc. wage mit einpreist bzw. durch Formulierungen mit einfordert, verliert man eventuell den Status freiwillig und die Steuerfreiheit. Ich sehe hier aktuell gewagte Formulierungen bei Gastronomiebetrieben, um Trinkgeld schon gleich einzufordern. Vorsicht! Dünnes Eis. Du läufst Gefahr, dass das gesamte Trinkgeld damit die Steuerfreiheit verliert.

Das sogenannte Bedienungsgeld, was auf einigen Karten noch gesondert aufgeführt wird, ist nicht als steuerfreies Trinkgeld zu werten.  Bedienungsgeld ist klassisches Gehalt und wird mit Sozialabgaben und Lohnsteuer verrechnet.

“Von Dritten:” 

Es muss von Dritten kommen. Ein Betrieb kann einer Angestellten kein steuerfreies Trinkgeld geben. Du als Inhaberin kannst deinem Team für tolle Leistungen kein steuerfreies Trinkgeld geben. Das kann nur von Dritten kommen. Du darfst es lediglich verteilen. Um das eindeutig nachweisen zu können, musst du dokumentieren. Mache also sicher, dass Zahlungen von deinem Betrieb an Mitarbeitende korrekt als Trinkgeld verstanden, und dir keine Lohnzahlung unterstellt werden kann.

Kein Rechtsanspruch:

Sobald du deinem Team einen Rechtsanspruch auf Trinkgeld einräumst, verliert es seine Steuerfreiheit und die Zahlungen gelten als Gehalt. Diese Formulierung kann missverstanden werden. Es gibt in anderen Branchen, die Trinkgeld verteilen, hier eher Fälle, die mit Rechtsanspruch gemeint sind. Croupiers im Spielbankbetriebe haben hier z. B.: Rechtsanspruch auf Trinkgeld, und es ist damit Gehalt. Bitte verwechsle Rechtsanspruch nicht mit “wem gehört das Trinkgeld”. Das Korrekt von Dritten gegebene Trinkgeld gehört dem Servicepersonal bzw. dem durch eure Vereinbarung definierten Teil des Teams. Nicht dem Betrieb.

Aus der Vergangenheit, nennen wir es die gute alte Zeit, kennen wir ein ganz einfaches System. Gast gibt Kellner 10 Euro Trinkgeld zur Rechnung in bar. Kellner behält die 10 Euro. Steuerfrei. Alles toll. Nichts wird dokumentiert. Vergiss es. Funktioniert 2024 nicht mehr. Zumindest nicht in der Praxis für die meisten Betriebe. Bei wem das so klappt, der möge sich noch einige Jahre in Sicherheit wägen. 

Fallstricke und Dokumentationspflichten um Steuerfreiheit von Trinkgeld zu gewährleisten

Nachdem wir geklärt haben, wann Trinkgeld für Angestellte steuerfrei ist, geht es nun um die konkrete Umsetzung der Trinkgeld-Auszahlungen in deinem Betrieb. Es gibt sehr unterschiedliche Arten, wie Trinkgeld im Betriebe gehandhabt wird. Viele haben seit Jahrzehnten ihr System. 

 Neu sind jetzt zwei Punkte, die du in der Vergangenheit eventuelle nicht beachtet hast. Damit Trinkgeld 2024 für deinen Betrieb steuerfrei und problemlos bleibt, gilt in Kürze „document or die!”  

  1. Durch extrem zunehmende Verbreitung der Kartenzahlungen jeder Art, kann Trinkgeld oft nicht mehr bar ausgezahlt werden, bzw. es sind somit bereits hohe  Trinkgeldbeträge via Karte nachverfolgbar. Und jetzt muss klar sein, wem diese zuzuordnen sind. 
  2. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchhaltung, insbesondere die neuerdings oft abverlangte und vorgeschriebene Verfahrensdokumentation, verlangt eine umfangreiche Dokumentation deiner Betriebsprozesse, damit deine Buchhaltung nicht verworfen wird. 

Aus der Vergangenheit (Trinkgeld war vor 2001 ab 100 Euro im Monat für Arbeitnehmer steuerpflichtig) und aus persönlichen Präferenzen bei Thema Datenschutz (den ich grundsätzlich als ein sehr hohes Gut sehe) widersprechen einige Angestellte, aber auch Inhaber, einer sehr genauen Dokumentation des Trinkgeldes. Es gibt nach wie vor Angestellt, die sich gegen die Dokumentation von Trinkgeld verwehren: „Niemanden geht an, was ich verdiene!”. 

Ein meist nie öffentlich genannter Grund ist hier allerdings auch die Verweigerung der Dokumentation, da Sozialleistungen vom Staat bezogen und die recht hohen steuerfreien Trinkgelder bewusst bei den Anträgen nicht angeben werden. Würden die Trinkgelder, wie oft in den Anträgen verlangt, korrekt angeben, hätten die Mitarbeitenden keinen Anspruch mehr auf Leistungen vom Staat. Eine Dokumentation von Trinkgeld würde somit das Erschleichen von Sozialleistungen transparent machen, die einem „mit Trinkgeld“ nicht zustehen. Diese Interessen stehen eindeutig dem Schutz deines Unternehmens vor Nachzahlungen entgegen und du solltest nicht auf die Dokumentation verzichten. 

Ebenfalls ist Diebstahl von Trinkgeld „unter Kollegen“ ein selten besprochenes, aber reales Thema in der Gastronomie. Wenn an einem Abend 1000 Euro Trinkgeld bar bzw. undokumentiert in der Gemeinschaftskasse des Betriebes auflaufen, hätte ein Team von 10 Mitarbeitenden bei gleicher Teilung normalerweise jeweils 100 Euro Trinkgeld bekommen. Ein unehrlicher Mitarbeiter im Team lässt 100 Euro über den Abend verschwinden. Damit verbleiben 900 Euro in der Gemeinschaftskasse, die dann 90 Euro pro Mitarbeiter bei der Teilung ergeben. Nur der Dieb geht mit den 90 Euro plus 100 Euro nach Hause. Auch wir hatten solche Fälle schon. Was hilft, ist sehr genaues Dokumentieren.

Wie dokumentiert man Trinkgeld korrekt? 

Für eine korrekte Dokumentation des Trinkgeldflusses im Betrieb benötigst du zuallererst auch beim Trinkgeld eine Verfahrensdokumentation.

Die Verfahrensdokumentation ist seit Einführung der GoBD im Januar 2015 für jedes Unternehmen, Selbstständigen und Freiberufler Pflicht. Seit Kurzem, auch bei unserer letzten Steuerprüfung vor knapp zwei Jahren, wird die Verfahrensdokumentation vermehrt bei Prüfungen abgefragt. Sie ist ein unfassbar großes bürokratisches Monster, deren Ausmaß leider viel zu wenig in der Öffentlichkeit kritisiert und hinterfragt wird. Mit der Verfahrensdokumentation sollen alle Prozesse in Betrieben genau dokumentiert und immer auch aktualisiert werden. Das bedeutet in Kürze für dich als Betrieb: Du musst alle beim Trinkgeld entstehenden Prozesse erklären und dokumentieren, bzw. dauerhaft zur Rückverfolgung aufzeichnen. Wie wird das Trinkgeld vereinnahmt? Welche Zahlungsmöglichkeiten gibt es? Wie wird das Trinkgeld bei Zahlungen im Kassensystem erfasst? Und natürlich: nach welchen Maßstäben und wie genau wird das Trinkgeld ausgezahlt. Entsprechen diese Maßstäbe den Definitionen für steuerfreies Trinkgeld (insbesondere die Frage: gewährleistet dein System immer noch die Idee von freiwilligen Zahlungen Dritter … zusätzlich zu einer Arbeitsleistung?) Hast du eine Zusatzvereinbarung Trinkgeld, die diese Prozesse auch allen Mitarbeitern transparent offenlegt?

TSE fähige Kassen und die Vorschriften zur Kassensturzfähigkeit verpflichten dich darüber hinaus als Betrieb dazu, bei Gemeinschaftskassen jedes bar oder per Karte gezahlte Trinkgeld korrekt zur gezahlten Rechnung hinzuzubuchen. Damit erfüllst du dann auch die Dokumentationspflicht, was die Herkunft des Trinkgeldes angeht. 

Es ergibt sich somit in jeder Schicht ein Trinkgeld Bestand, der sich durch die elektronischen Zahlungswege, Debitoren und Barzahlungen zusammensetzt. Der gebuchte bar Trinkgeldbestand + bar Umsatz muss laut GobD jederzeit mit deinem realen Kassenbestand übereinstimmen.

Damit sind die bar eingenommenen Trinkgelder jetzt Kassenbestand des Unternehmens. Und das bedeutet: Du brauchst für jede Ausbuchung einen Beleg. Sprich: Wenn du einem Mitarbeiter jetzt das Trinkgeld in bar auszahlst, darf dies im Rahmen der ordnungsgemäßen Buchhaltung nur gegen Beleg erfolgen.  

Da spätestens seit Corona die Kartenzahlungen bei Gastronomiebetrieben sehr stark zugenommen haben, sind große Teile des Trinkgeldes in der Regel unbare Kartenzahlungen. Diese müssen ebenfalls ausgezahlt werden. Aktuell werden bei den meisten Betrieben die gesamte Trinkgeldsumme aus baren und unbaren Zahlungen meiner Einschätzung nach abends direkt bar vom Kassenbestand an die Mitarbeitenden ausgezahlt.

Betriebe, die kein Bargeld mehr akzeptieren, überweisen sämtliche Trinkgeldbeträge. Diese Unbare Weitergabe macht die Dokumentation, wer welche Beträge bekommen hat, sehr wasserfest. Um zu gewährleisten, dass nachvollziehbar bleibt, dass das Trinkgeld Dritter weitergeleitet wurde, empfehle ich die Auszahlungen, ob Bar oder Überweisung, eindeutig mit dem Abrechnungstagen oder Z Zaehler und den dazugehörigen Trinkgeldbeträgen zu versehen.

Beispiel: wer 300 Euro für eine Woche als “Trinkgeld” an einen Mitarbeitenden auszahlt, ist nicht genau. Wer dies genau erklärt mit “Trinkgeld: 14.3.2024= 55,- € : 15.03.2024= 65,- € : 16.03.2024= 100,- €: 17.03.2024=80€” bzw. dies täglich dokumentiert ist genau und hat keine Probleme.

Wer sein Unternehmen vor zu viel Extra-Dokumentation oder Gefahren schützen will, hat darüber hinaus zwei weitere Möglichkeiten: 

  1. Der Betrieb nimmt kein Trinkgeld an. Das bedeutet, das Servicepersonal kann selbst noch “bar” Trinkgeld vom Gast direkt annehmen und für sich behalten. Aber der Service kann kein Trinkgeld in die Kasse geben, Trinkgeld per elektronischer Zahlung ist nicht möglich. Der Betrieb verwaltet damit kein Trinkgeld und hat keine Gemeinschaftskasse. Wenn man genau sein möchte, sollte hier z.B: auch kein Trinkgeld auf den Rechnungen quittiert werden. Auf Rechnungen ausgewiesenen Trinkgeld kann von Gästen bei Bewirtungskosten mit abgesetzt werden. Die größte Schwierigkeit bei dieser “stressfreien” Methode ist aber, dass die Mitarbeiter deutlich weniger Trinkgeld machen und ihnen damit in Summe viel Geld entgeht. Die Frage ist, wie erfolgreich man mit solchen Einschränkungen bei der Personalsuche im aktuellen Arbeitnehmer-Markt ist. 
  2. Die zweite Vereinfachung ist hier die Abschaffung von Bargeld im Betrieb. In Verbindungen mit den vorgeschriebenen TSE Kassensystemen sind dann alle Trinkgeld Eingänge und Ausgänge wie oben beschrieben ohnehin dokumentiert. Fallstricke wie Kassensturzfähigkeit und Sonderregelungen für bargeldintensive Branchen entfallen. 

Interessant sind Kreditkartengebühren. Ich kenne aktuell keine Methode, die mir hier widerspruchsfrei bzw. in der Praxis gut umgesetzt scheint. Freue mich auf dein Feedback, falls du hier eine Lösung hast.

Jede Zahlung, elektronisch als auch bar, verursacht einem Betrieb Kosten. Bei elektronischen Zahlungen sind diese Kosten jetzt recht offensichtlich. Sagen wir, für ein Rechenbeispiel, das Unternehmen zahlt 2 % Gebühren für Kartenzahlung an ein Kreditkarteninstitut. Es macht eine Million Umsatz im Jahr per Kartenzahlung, Gäste geben auf diese eine Million Umsatz zusätzlich 10% Trinkgeld. Das bedeutet: Es wurden 1,1 Millionen Euro per Karte bezahlt. Das sind 22.000 Euro Kartengebühren. 10% dieser Kartengebühren, 2000 Euro Kosten, hat der Betrieb somit seinen Angestellten „geschenkt“, da diese durch unbare Zahlungen für Trinkgeld entstanden sind, aber nicht erstattet wurden. Damit hat der Betrieb hier 2000 Euro Kosten bzw. Leistungen für Mitarbeitende. Muss er diese Kosten wie Gehalt versteuern? 

Neben all den neuen Dokumentationspflichten gibt es eine letzte große Frage zu beantworten, die der Trinkgeld-Praxis in vielen Gastronomiebetrieben gerecht wird.

Sind Trinkgeld Gemeinschaftskassen, sogenannte Trinkgeld-Troncs, steuerfrei?

Es kommt darauf an. Erfreulicherweise hat der Bundestag mit Drucksache 20/7148 vom 09.06.2023 erklärt, dass Trinkgelder auch dann grundsätzlich steuerfrei bleiben, wenn Sie in eine Zentral oder Gemeinschaftskasse eingelegt und später verteilt werden. Dabei ist es unerheblich, ob der Verteilungsmaßstab von den Arbeitnehmern selbst oder vom Arbeitgeber festgelegt werden. 

Das ist eine sehr erfreuliche Erklärung, denn sie unterstützt den Trinkgeld-Gedanken, den viele Teams haben: Trinkgeld ist eine Team-Leistung und sollte fair aufgeteilt werden.

Dennoch muss die Handhabung der Trinkgeldkasse den oben erwähnten Grundsätzen für Steuerfreiheit genügen. Hier gibt es meiner Meinung nach folgende Fallstricke:

Zu langes Sammeln:

  • Trinkgelder, die nach jeder Schicht oder Tag ans beteiligte Team nachvollziehbar aufgeteilt werden, sehe ich als problemlos an. Wer Trinkgeldgemeinschaftskassen über Tage und Wochen auffüllt und die Summe nach einem Schlüssel statt den tatsächlich gearbeiteten Personen aufteilt, läuft Gefahr, die Steuerfreiheit zu verlieren. Es ist nicht mehr nachvollziehbar, dass das Trinkgeld unmittelbar von dritten als zusätzlicher Betrag für eine Leistung an die Betreffenden ausgezahlt wurde.

Zu viele Beteiligte:

  • Im Ursprung steht das Trinkgeld dem Service zu. Selbstverständlich ist die gesamte Leistung des Teams am Abend eine Leistung für den Gast, die er mit Trinkgeld extra würdigt. Daher wird das Verteilen an alle Beteiligten ja auch als steuerfrei eingestuft. Personal aus Küche, Spüle, Hosting, Bar und deren Leistung sind natürlich ebenfalls Teil der Gesamtleistung, die das Trinkgeldgeben beeinflussen. Problematisch kann ein Trinkgeld Pool werden, wenn die Kreise der Empfangsbeteiligten sehr weit bezogen werden, und wenig mit dem konkreten Besuch der dritten Person (des Gastes) an einem Abend zu tun haben. Bekommt die Restaurantleitung Anteile am Trinkgeld für Ihre Zeit in der Verwaltung, wenn sie Dienstpläne schreibt? Bekommt der Sommelier Trinkgeld, wenn er bei aufwendiger Weinkarte einen Tag im Weinkeller Bestellung macht? Grundsätzlich solltest du die genaue Verteilung, auch um die Verfahrensdokumentation zu erfüllen, in einer Zusatzvereinbarung dokumentieren und mit den Mitarbeitenden kommunizieren. Allerdings solltest du kritisch prüfen, ob ein sehr weit gefasster Trinkgeldpool noch die ursprüngliche Definition von steuerfreiem Trinkgeld für Angestellte erfüllt.

Gemischter Pool von Inhaber und Team.

  • Hier sind Probleme vorgegeben. Du solltest den steuerfreien Trinkgeldpool der Angestellten nicht mit dem beitragspflichtigen Trinkgeld eines Inhabers kombinieren. Meine Empfehlung hier: Nimm als Inhaber/in kein Trinkgeld und dokumentiere durch die Zahlungen an deine Mitarbeitenden, dass du kein Trinkgeld bekommen hast. 

Es werden Kosten von diesem Pool bezahlt.

  • In alten Häusern wurde z. B.: Glasbruch direkt vom Trinkgeldpool bezahlt. Vorsicht. Wenn hier pauschale Kosten abgezogen werden, kann eine solche Gemeinschaftskasse die Steuerfreiheit verlieren. Das bedeutet nicht, dass keine Kosten an Mitarbeiter weitergegeben werden können. Nur muss dies sauber dokumentiert werden und eben nicht der Einfachheit halber pauschal aus einer Trinkgeld-Sammelkasse bezahlt werden. 

Und denk dran: Wenn du Bargeld im Unternehmen akzeptierst und bereithältst muss jeder Bargeldbestand im Haus per Verfahrensdokumentation erklärbar sein und per Safebuch jeder Ablageort immer aktuell und kassensturzfähig. Das bedeutet: Wenn sich die Trinkgeldgemeinschaftskasse in den Betriebs-Räumlichkeiten befindet, musst du den Bestand per Safebuch nachvollziehbar dokumentieren. 

FAZIT: Trinkgeld für Unternehmen

Trinkgeld ist nur für Angestellte unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei. Spätestens mit Durchsetzen des Monsters Verfahrensdokumentation in den Betrieben ist Trinkgeld, gerade für Gastronomiebetriebe, die Bargeld akzeptieren, ein deutlicher Verwaltungsakt.

Fair verteiltes Trinkgeld sorgt für funktionierende Teams. Selbstverständlich sollte dir als Unternehmen daran gelegen sein, dass deine Mitarbeitenden schnell und nachvollziehbar an ihr Trinkgeld kommen. Gerade in großstädtischen Konzepten ist ihr Trinkgeld, wenn richtig behandelt, ein legales, steuerfreies Einkommen in bedeutender Höhe und sorgt für attraktive Arbeitsplätze.

Der Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand ist beim Trinkgeld hoch geworden. Daher solltest du dafür sorgen, diese Prozesse sauber und effizient aufzustellen. 

Durch die von der GoBD vorgeschriebene Buchungspflicht des Trinkgeldes in TSE Kassensysteme wird sich meiner Meinung nach in Kürze die Finanzverwaltung einen sehr guten Überblick über die Höhen des Trinkgeldes in Deutschland verschaffen können. Wird das Trinkgeld, wenn die jetzige Erfassung ausgewertet wurden, ganz steuerfrei bleiben? Ich denke nicht. 

Kannst du das als Unternehmer ändern, indem du nicht wie vorgeschrieben dokumentierst? Nein. Du schafft dir nur unnütze Probleme und zahlst Strafen und Beiträge, die du hättest vermeiden können. Das sind Problem, um die wir uns dann kümmern müssen. Jeden Tag, neue Voraussetzungen - wir lieben doch den Wahnsinn Selbstständigkeit, oder? 

Mich würde aber brennend interessieren: wie gehst du aktuell mit Trinkgeld in deinem Betrieb um? Wie ist eure Praxis? Wie dokumentiert ihr? Oder bist du da vollkommen anderer Meinung. Bitte maile mir dein Feedback.

Die Trinkgeld Business Serie auf 7cl-Business soll aktuell drei Teile lang werden. 

Im zweiten Teil der Newsletter Serie möchte ich dir schreiben, wie wir das Trinkgeld Thema aktuell ganz konkret in meiner Bar Le Lion umsetzen und welche Schritte wir gerade ganz konkret für die Zukunft ändern. 

Der dritte Teil der Serie bist du. Anonym oder immer nur nach Rücksprache mit dir. Euer gesammeltes Feedback möchte ich mit uns Bar und Gastronomie Betrieben hier, im dritten Newsletter der Trinkgeld Business Serie, teilen. Eure Best Practice, eure Meinung und Verfahren. 

Für dein Feedback schicke mit eine mail

Wenn du den Newsletter mit Kolleginnen und Kollegen teilen willst, oder einfach auch nur auf Social Media angeben möchtest, dass du diesen LANGEN Text gelesen hast, freut mich das! Hier ist der Link

Bis zum kommenden Newsletter, Teil 2, ist dieser Text online kostenlos lesbar. Das gesamte 7-cl Archiv ist für Abonnenten auch jederzeit online lesbar. Falls du dich noch nicht auf dem Newsletter eingetragen hast - mach das jetzt. Der Newsletter ist kostenfrei - dann verpasst du nichts!

Falls du eine Bar oder Gastronomie betreibst: der aktuelle Sponsor dieses Newsletters, TENDER-SPIRITS, bietet dir attraktive Wiederverkäufer-Konditionen im TENDER-SPIRITS Shop an. Insbesondere der neue RUTTE VODKA ist ein großartiges Pouring Produkt. Falls du einen Gastro Account bei Tender-Spirits möchtest, schicke eine E-Mail mit deinen Betriebsdaten an mail@tender-spirits.net

Und jetzt: mach ordentlich Umsatz für deinen Gewinn und das Trinkgeld deiner Mitarbeitenden.

Mit besten Grüßen

Joerg Meyer